In den späten 1980er Jahren bis in die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts dominierten sogenannte Frameworks den Markt des zentralisierten System- und Netzwerk-Managements. Weltmarktführer war Unicenter TNG von CA Computer Associates. IBM Tivoli, HP OpenView, BMC Patrol u.v.m. waren namhafte Marktbegleiter.
Über Unicenter TNG
Unicenter TNG war weltweit die erste unternehmensweite Managementlösung, mit der die gesamte betriebliche IT-Umgebung überwacht, verwaltet werden konnte – vom Großrechner bis zum PC und ThinClient, von der Datenbank bis zur Applikation, von der Klimaanlage bis zum Formel 1‑Auto.
Im Gegensatz zu plattform- oder funktionsspezifischen Insellösungen, die nur eine einzelne Komponente, wie z.B. ein Netzwerk oder ein System verwalten konnten, deckte Unicenter TNG die gesamte Unternehmens-IT ab. Unicenter TNG konnte u.a. verschiedenste Hardware, unterschiedliche Netzwerke, diverse Datenbanken und zahlreiche Anwendungen überwachen und vorzeitig Alarme auslösen, sollte es zu einer Störung kommen. Dabei spielte der Typ oder Standort der jeweiligen Komponente keine Rolle. Unicenter TNG ermöglichte ein systemübergreifendes und standortübergreifendes Management aller zu überwachenden Komponenten.
Durch die objektorientierte Manager/Agent-Architektur war Unicenter TNG eine integrierte, offene und skalierbare Managementlösung, die auch von Drittanbietern und CA-Kunden beliebig erweitert werden konnte. So war die Einbindung von Nicht-IT-Systemen, wie z.B. Klimaanlagen, Aufzügen, Unabhängige Stromversorgungen, Produktionsmaschinen, ja sogar Formel 1‑Autos kein Problem. Unicenter TNG war seiner Zeit um Längen voraus.
Die Weiterentwicklung von Unicenter TNG wurde von CA Computer Associates in den frühen 2000er Jahren leider eingestellt.
Die Unicenter TNG-Framework-Architektur
Das Framework von Unicenter TNG nutzte eine Vierschichtenarchitektur für das Management heterogener IT-Landschaften. Diese Schichten waren Agenten, Manager, Datenbank und Visualisierung. Die Komponenten der Vierschichtenarchitektur kommunizierten über einen sogenannten ORB „Object Request Broker“, der im Endeffekt auf der CORBA-Technologie „Common Object Request Broker Architecture“ basierte.

Agenten
Agenten waren dabei so etwas wie hochspezialisierte Sensoren, die im direkten Dialog mit der zu überwachende Ressource standen. Eine Ressource waren
- eine bestimmte Hardware – z.B. ein Server, ein PC oder ein SAN Storage Area Network etc. –,
- das Betriebssystem – z.B. Windows, Unix, MVC etc. –,
- eine Netzwerkkomponente – z.B. Netzwerkkarte eines Computers, ein Router, ein Switch etc. –,
- eine Datenbank – z.B. Oracle, MS SQLserver, Ingres, Sybase etc. –,
- eine spezielle Software-Applikation – z.B. SAP R/3, Peoplesoft, MS Exchange, Citrix Presentation Server etc. – oder
- eine Nicht-IT-Komponente – z.B. eine Klimaanlage, ein Aufzug, eine Rolltreppe, ein Formel 1‑Auto etc. –.
Diese Messwerte sandten die Agenten als SNMP-Nachrichten – Simple Network Management Protocol – an die Manager. Intelligente Agenten waren darüber hinaus in der Lage die gemessenen Messwerte mit hinterlegten Schwellenwerten zu vergleichen und daraus den Zustand der Ressource zu bewerten. Auch diese Ergebnisse sandten die Agenten per SNMP an ihre Manager.
Über den ORB wurden die Messwerte in einem Repository (Datenbank) gespeichert.
Manager
Manager waren agentenübergreifende Applikationen, welche die Informationen für das Ausführen von Aktionen nutzten. Aus der heutigen Sicht von Industrie 4.0 waren wesentliche Manager u.a.
- der Event-Manager – Der Event-Manager war eine zentrale Konsole, auf der alle Meldungen der Agenten und vieler anderer Messsysteme angezeigt wurden. Dabei konnten im Event-Manager beliebig viele Aktionen auf Grund einer Meldung automatisiert ausgeführt werden. –
- der Workload-Manager – Der Workload-Manager würde heute auch Scheduler genannt und konnte einzelne Aktionen / Aufgaben sowie ganze Aktionsnetze sowohl ad hoc, als auch zeitgesteuert abarbeiten. –
Manager gab es für unzählige andere Aufgaben. Manager wurden sowohl von CA, als auch von CA-Partnern und CA-Kunden entwickelt.
Auch die Manager speicherten ihre Informationen im Repository von Unicenter TNG und speziellen Dateien.
Repository
Das Repository war eine zentrale Datenbank für die meisten Parametrierungen und Messwerte, die mit den Agenten gemessen und von den Managern bearbeitet wurden.
Real World Interface
Das Real World Interface war die Visualisierung der Messwerte und Manager-Ergebnisse. Für die Darstellung der interpretierten Daten wurden unterschiedliche Farben eingesetzt. Dabei standen die Farben:
- Grün – für alles OK.
- Gelb – Es wurde ein Wert vom Agenten gemessen, der den Schwellenwert „Warnung“ erreicht hatte.
- Rot – Es wurde ein Wert vom Agenten gemessen, der den Schwellenwert „Kritischer Zustand“ erreicht hatte.
- Schwarz – Die Ressource ist nicht mehr verfügbar.
Warum ist ein Framework wie Unicenter TNG für Industrie 4.0 so wertvoll?
Kein Standard in Sicht
Bis auf weiteres wird es keinen international anerkannten Standard für die Maschinen-Maschinen-Kommunikation geben. Davon ist seit dem Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Reiner Anderl, dem Vorsitzenden des Lenkungskreises für das „Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0)“ bei der Bundeswirtschaftsministerin während der Eröffnung des „Digital Manufacturing Hubs“ der Konica Minolta Business Solutions Deutschland GmbH in Darmstadt auszugehen.
Hinzu kommt der Wettbewerb der verschiedenen Standards: „Industrial Internet Consortiums (USA-Standard) gegen „RAMI 4.0 (Deutschland)“ und „Made in China 2025 (China)“. Hier stellt sich auch noch die Frage, wer den Standard vorgeben wird. Die USA als stärkste Weltwirtschaft, Deutschland als selbsternannter Innovationstreiber mit ca. 5% Weltmarktanteil in der Robotronic oder China mit derzeit 58% Weltmarktanteil im gleichen Markt?
Auf die Frage an den Geschäftsführer der „Plattform Industrie 4.0“ während einer Veranstaltung der IHK Nordwestfalen in Münster: „Wann wird RAMI 4.0 verbindlicher deutscher Standard, wann wird RAMI international anerkannte ISO-Norm und wann wird RAMI 4.0 vom chinesischen Volkskongress als Standard anerkannt?“ kam nur ein Stirnrunzeln und ein Schulterzucken. Friedrich Vollmar, sachkundiger Mitarbeiter der BITKOM im o.g. Lenkungsausschuss, wusste in der o.g. Veranstaltung auf diese Frage auch keine Antwort. Laut Herrn Vollmar wird der Lenkungsausschuss auf der Hannover Messe 2018 ein erstes Whitepaper vorlegen.
Herausforderung für die Wirtschaft
Dennoch müssen die deutschen Unternehmen die „Digitale Transformation“ im Rahmen von Industrie 4.0, Mittelstand 4.0 oder Handwerk 4.0 umsetzen. Maschinen sollen mit Maschinen direkt kommunizieren. Maschinen sollen mit Datenbanken zusammenarbeiten. Maschinen sollen mit Menschen Informationen austauschen. Wie soll das ohne international anerkannten Standard funktionieren? Welche Strategie gewährt den Unternehmen Investitionsschutz?
INDUfact – Standard ohne Standards
INDUfact steht für die Idee, dass die Prinzipien von EDIFACT für die Kommunikation einer Maschine mit einer anderen Maschine, einer Datenbank oder einem Menschen genutzt werden können. Genau dabei hilft die altbewährte Agenten-Manager-Repository-Real World Interface-Architektur. Die INDUfact-Idee fungiert dabei als eine Art Realzeitkonverter für die proprietären Protokolle und Datenstrukturen der einzelnen Automationssysteme.
Die Agenten werden auf der einen Seite die proprietären Meldungen der heterogenen Automationssysteme entgegennehmen und auf der anderen Seite über den standardisierten Kommunikationskanal die Nachrichten an die INDUfact-Manager senden. Die Manager sind für die darauf aufbauenden Aktionen da. In der Datenbank werden alle Nachrichten und deren Verarbeitung dokumentiert.
So können sowohl aktuelle Maschinen, als auch „alte“ Maschinen sehr schnell über eine der o.g. Kommunikationsarten miteinander vernetzt werden. So wie es Unicenter TNG von 1996 bis 2001 mit den Formel 1‑Fahrzeugen von Mika Häkkinen und David Coulthard tat.
Dieses Prinzip wird seit dem Umstieg aus der Großrechnerwelt (Mainframe) in die verteilte Unix-Welt und Windows-Welt (Workstations und PC) von Systemen wie MQSeries und Sterling bei der Netzwerkprotokollkonvertierung und Datenformatkonvertierung seit den späten 70er Jahren bis heute erfolgreich angewendet.
Beim tagtäglichen Datenaustausch von Patientendaten nutzen Systeme wie Cloverleaf, egate oder der Konverter von InterSystems genau das gleiche Prinzip.
Fazit: Proprietät vor fehlendem Standard
Solange der internationale Standard fehlt, müssen Lösungen geschaffen werden, die den Unternehmen auf der einen Seite die Möglichkeit geben mit der weltweiten Entwicklung Schritt zu halten und auf der anderen Seite eine Investitionssicherheit garantieren.
Warum also in die Ferne schweifen, wenn die Lösung so nahe liegt? Nie war ein Framework wie CA Unicenter TNG so wertvoll wie heute!
Über Claus Michael Sattler
Claus Michael Sattler war weltweit einer der ersten freiberuflichen Berater für CA Unicenter und CA Unicenter TNG. 1993 gründete er gemeinsam mit anderen Anwendern die „Deutschsprachige Unicenter User Group“ und 1995 die „International Unicenter User Groups Association“ deren Präsident und Chairman er bis 2001 war.
In dieser Zeit realisierte er weltweit Unicenter Projekte im Auftrag von CA bei CA Kunden in nahezu allen Märkten und auf nahezu allen von Unicenter unterstützen Plattformen. Claus Michael Sattler schulte die meisten Unicenter Anwender in Deutschland und war wesentlich in die Entwicklung der SAP R/3‑Option involviert, für die er auch das weltweite Schulungskonzept entwickelte. Im November 1999 erschien sein Buch „Enterprise Management“ im Addison-Weslay-Verlag.
Claus Michael Sattler ist im Internet unter https://www.cmsattler.de und http://www.indufact.com erreichbar.